Eine Erfolgsgeschichte

Die Erfolgsgeschichte des InterRail-Tickets

Ursprünglich von 21 europäischen Eisenbahnen aus der Taufe gehoben, erfuhr der InterRail-Pass mit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" eine rasante Erweiterung seines Geltungsbereiches nach Osten: heute ist er in allen europäischen Staaten, mit Ausnahme Islands (weil bahnlos), Albaniens und der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gültig.
Über sieben Millionen junge Menschen sind bereits im Zeichen der Völkerverständigung mit der "Monatskarte" im Rucksack durch Europa gepilgert.

InterRail ist eine Erfindung der frühen 70er Jahre, als es tatsächlich noch Menschen gab die daran glaubten, man könne diese Welt verbessern.
Nun ja, heute sind diese Menschen Deutschlehrer und die Welt zeigt wenig Anzeichen der Besserung. Doch das Ticket, die Revolution auf der Schiene, ist gesund und munter.

Dabei hat es auf seinem langen Marsch schon so viel "Facelifting" erlebt!
Mitte der 80er Jahre kostete der Kontinent minus Osteuropa noch 420 Deutsche Mark (für die ganz Jungen unter uns: ca. 210 Euro). Es folgte ein lustiges Intermezzo mit drei verschiedenen Varianten des Passes:
"IR pur", "IR plus Schiff" und "IR-Flexi". Heißa, konnte man da schön bescheißen, bis der Feldversuch im Labor "Europa" abgebrochen wurde.

Dann wurde im April 1986 der Preis auf 444 DM und im Januar 1989 auf 510 DM erhöht (für das "Globalticket" wohlgemerkt, weil damals niemand in Zonen, sondern nur in Blöcken dachte).
Doch plötzlich verschwand der Block mit Vornamen "Ost" binnen zwölf Monaten von der Landkarte und ein munteres Hauen und Stechen ging los. Die osteuropäischen Länder gaben sich mehr (z.B. Tschechoslowakei) oder weniger (z.B. Bulgarien und Rumänien) Mühe, ein paar Krümel vom Tourismuskuchen abzubekommen. Im Gegenzug entließen sie ihre Jugendlichen auf die große Bahnsause.

Stärker als zu hippsten Hippiezeiten waren die Stadtparks in Südeuropa von Müll-, Lärm- und Fäkalienproduzenten belagert. In den Zügen fand die Oma aus Sizilien, die wie stets im Juli ihren Enkel in Mailand besuchen wollte, keinen Sitzplatz mehr. Straßencafébesitzer von Nizza bis Lagos rümpften die Nase, weil immer mehr Jugendliche ankamen, ihren Rucksack in die Ecke stellten, eine einzige Coke ("ohne Eis bitte") bestellten und dann stundenlang die besten Terrassentische besetzten.
Natürlich waren das nicht nur Osteuropäer, oft nicht mal InterRailer. Aber der Ärger blieb, gerade in Frankreich, Spanien und Portugal: Berge von Dreck, lädierte Bahnabteile, überfüllte Polizeiwachen wegen Taschendiebstahls, etc.

In den Jahren 1991 und 92 drohte die leidige Preis-Frage dem Erfolgsmodell "InterRail" den Garaus zu machen. Die Verteilung der Einnahmen zwischen den beteiligten Bahngesellschaften sorgte in Südeuropa, dem beliebtesten Reiseziel der Railer, für soviel böses Blut, dass im Oktober 1992 die dickste Preisanhebung beschlossen wurde: von 510 auf 580 DM.
Vielen Staatsbahnen stand das Wasser schon "Oberkante Unterlippe". Der Kapitalismus hatte gesiegt und nun sollte die Welt entstaatlicht werden. Aber ach, die Bahndirektoren mussten ja noch nie auf Wirtschaftlichkeit achten, und nun sollten sie´s ... also gut, Preise rauf!

Bevor InterRail zu neuen Eifersüchteleien führen konnte, wurde die zweite Revolution gestartet: Warum soll ein Benutzer mehr berappen als nur für jene Regionen, die er tatsächlich besuchen will? Also begann im April 1994 die "Zonenwirtschaft". Sieht zwar verwirrend aus, ließ viele InterRailer aber günstiger wegkommen als ehedem.
Wer sich in Amsterdam, Paris und Barcelona vergnügen und abschließend eine Prise marokkanische Sonne tanken wollte, der war bis 1994 mit 580 DM dabei. Ebenso der Skandinavien-Freak, der zur Einstimmung auf Nordlichter schon mal durch Ir- und Schottland pirschen wollte. So kauften sich diese Beiden mit ihren höchst unterschiedlichen Vorlieben einfach zwei Zonen: der Marokko-Inhalator die Zonen E und F, der Nordland-Freak die Zonen A und B.
Anfänglich war dieser 2-Zonen-Pass für 500 DM (also für ca. 250 Euro) zu haben, aber nach den unvermeidlichen Tarifumstellungen musste man wieder tiefer in die Tasche greifen.

Anfang 1998 folgte die dritte Revolution: Immer öfter kamen die Kids des Deutschlehrers zu Ende der Sommerferien zurück nach Hause und jubilierten, wie spitze Europa doch sei. Immer mehr Deutschlehrer bekamen also Lust, es selbst noch einmal zu probieren, so wie damals, mit Gitarre und Keks in der Tasche. Und jeder weiß, welche Sprengkraft ein Haufen Deutschlehrer, die dasselbe wollen, entwickeln kann.
Also servierten Europas Bahnen zum 1. Januar 1998 das "Sahnebonbon": IR 26+. Zum ersten Mal in der langen Geschichte des InterRail-Tickets dürfen seither auch "ältere Menschen" , also alle die das 25. Lebensjahr hinter sich gelassen haben, die europäische Monatsfahrkarte nutzen.

Im April 2007 kommen die europäischen Bahngesellschaften dann mit der umfassendsten Änderung seit Jahrzehnten, indem das alte Zonenmodell über den Haufen geworfen und und ein Einzelticket für jeden teilnehmenden Staat sowie ein gesamteuropäisches Ticket erwerbbar wird. Die bisherige InterRail-Alternative EuroDomino wird dagegen aufgegeben.

Wir persönlich hoffen, dass diese Geschichte noch viele Fortsetzungen haben wird, denn solange nicht zu wild an der Preisschraube gedreht wird, steht eines wie in Stein gemeißelt fest: InterRail ist der tollste Bahnpass der Welt!