Neue Schweizer Bahnen
Die NEAT-Gotthard-Achse: der Tunnel des 21. Jahrhunderts
Alpentransversale Neat - die Ausgangslage: am Anfang war das unaufhaltsame Wachstum im Alpentransit. Ein Wachstum, das zunächst fast nur auf den Straßen stattfand und die betroffenen Alpentäler mit ihren hochempfindlichen Ökosystemen unaufhaltsam zerstörte, Tag für Tag, Auto für Auto. Die am stärksten darunter zu leiden hatten, begannen als Erste mit dem Nachdenken: Schweizer Gutachten der achtziger Jahre gingen von einem Güteraufkommen von 70 Millionen Tonnen im Jahr 2020 aus. Und selbst als eine bundesamtlich in Auftrag gegebene Studie Anfang 1995 etwas zurückhaltender nur noch von 42 Millionen Tonnen im Jahr 2020 sprach, hörte bei der SBB das Stirnrunzeln nicht auf. Angesichts solcher Zahlen wäre wohl so um das Jahr 2015 die Schweizer Schienenkapazität endgültig erschöpft - eine schockierende Vorstellung für alle, die sich für eine Neuorientierung der europäischen Verkehrspolitik einsetzen, für ein "Runter von der Straße, rauf auf die Schiene".
Der Plan: daraufhin wurde der Bundesrat aktiv und legte Konzepte vor für den Bau von zwei Tunnelröhren: den Lötschberg-Basistunnel an der Strecke Bern - Brig zwischen Kandergrund und Raron, womit dann die Autoverladung am Lötschberg in Kandersteg wegfiele; und die Hauptstrecke der Neat, der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale, an der Strecke Zürich - Bellinzona/Chiasso mit dem Gotthard-Basistunnel. Dieses Konzept der Maximallösung wurde den Schweizer Wählern vorgelegt, bei der Volksabstimmung im Jahre 1992 wurde es mit deutlicher Mehrheit abgesegnet. Doch noch mitten in der Vorplanungsphase erwachten immer lautere Zweifel.
Die Konkurrenz: im Jahre 1995 sind die Pläne für den Neubau eines Brennertunnels zwischen Österreich und Südtirol bzw. eines Tunnels unter dem Mont Cenis zwischen Frankreich und Italien bereits weit vorangeschritten. Damit könnte der alte Richtwert, wonach die Schweiz im nächsten Jahrhundert fast 60 Prozent des gesamten Alpentransits über sich ergehen lassen müsste (derzeit 27 Prozent), hinfällig werden. Damit könnten aber auch die Grundlagen für die Finanzierung der beiden Tunnels ins Wanken geraten: ursprünglich sollte das Sparschwein der SBB unangetastet bleiben und die Baukosten von 15 Milliarden Franken durch Einnahmen in den sechs Jahrzehnten nach Inbetriebnahme der Tunnels ausgeglichen werden.
Und nur eine Röhre? Dieser Vorschlag lag natürlich nahe, und ertönte auch alsbald, natürlich aus dem Finanzministerium. Doch mächtig erscholl da das Protestgeschrei aus West- und Ostschweiz, jede der beiden Seiten fürchtete, verkehrsmäßig und damit wirtschaftlich tief ins Abseits gedrängt zu werden.
Diese Diskussion wird wohl auch in der nächsten Zukunft noch manche Gemüter erhitzen - nicht nur, weil die erwähnte, im Februar 1995 vorgelegte Studie einige brisante Forderungen enthält. Wenn die Schweizer Regierung wie zuletzt am Bau beider Tunnel festhält, ihn für erforderlich und auch machbar hält, dann müssten - so ein Ergebnis der Studie - die Bahnpreise um mindestens fünfzehn Prozent erhöht werden. Um das Umsteigen zurück auf die Straße zu verhindern, müsste aber auch der Straßenverkehr entsprechend belastet werden, was wiederum die Zusammenarbeit der betroffenen Transitländer erforderlich macht. Zudem heben Geologen schon warnend den Zeigefinger: gerade der Gotthard soll für Tunnelbauer einige Überraschungen bergen, die den vorgesehenen Neat-Etat von 15 Millionen Franken über Gebühr belasten könnten.
Der neue Supertunnel? Noch hält die Schweizer Bundesregierung an den Neat-Plänen mit den beiden Tunnels fest. Und die Neue Eisenbahn-Alpentransversale wäre auch ein überaus wichtiger Meilenstein auf dem langen, holprigen Weg zur Verwirklichung eines europäischen Schienennetzes, das wirklich leistungsfähig den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Wann allerdings die ersten Neat-Europabummler sich tief unter dem Gotthard zuprosten können, steht noch in den Sternen. Immerhin: Bereits 1997 wurde eine "AlpTransit Gotthard AG" gegründet, und seither forschen bis zu 400 Spitzenleute verschiedenster Disziplinen, wie Geologie, Vermessung, Klima, Aerodynamik, Materialbewirtschaftung, Sicherheitstechnik, usw. an dem ambitiösen Projekt. Die SBB setzen für die weitere Ausgestaltung der Finanzierung auf "Public-Private-Partnership": so soll in engem Kontakt mit den Bundesbehörden geprüft werden, wie Anreizmechanismen eingebaut werden können, um die Einhaltung eines noch zu vereinbarenden Fixpreises für die Erstellung der Gotthardachse garantieren zu können. Im Vordergrund steht ein Modell, bei dem ein Teil der Kostenrisiken durch Aktienkapital abgedeckt wird. Für die Beschaffung von Aktienkapital wird erwogen, dass sich alle Unternehmen, die NEAT-Aufträge ausführen, in Form eines Vergabeprozents am Aktienkapital beteiligen. Damit erhalten sie einen zusätzlichen Anreiz, die Vertragssumme einzuhalten. Ebenso prüfen die SBB die Ausgabe einer Volksaktie, welche Personen und Kantone mit Interesse an der Gotthardachse ansprechen soll. Beim Kauf einer solchen Aktie stünde allerdings nicht die Rendite, sondern das Teilhaben an einem historischen Projekt und die breite Verankerung des Jahrhundertprojekts in der Bevölkerung im Vordergrund.
Bahn 2000: die Zukunft der Schweizer Bahnen
Seit 1997 läuft auf fünf Fernverkehrsstrecken der Halbstundentakt, später wurde das Taktintervall auf die Strecken Zürich-Luzern und Fribourg-Lausanne ausgedehnt. Im Rahmen des Konzepts Bahn 2000, das das heutige Verkehrsnetz mit häufigeren, schnelleren, direkteren und bequemeren Zugverbindungen im Kern stärkt, wurde das Fahrplanangebot bis ins Jahr 2005 Zug um Zug weiter verdichtet.
1999 werden 24 Neigezüge ausgeliefert, die in die Kurven "liegen" können und dadurch rascher ankommen. Damit erreichten die SBB ab dem Jahr 2001 die Fahrzeitgleichheit auf der Strecke Zürich-Lausanne über die Linie am Jurafuss und die Mittellandachse via Bern. Dank den Neigezügen kann auf finanziell aufwendige und zeitintensive Infrastrukturausbauten verzichtet werden.